Seebrücke
Hallo, mein Mädchen, bist du noch da?
An unserm Platz wo wir damals immer war'n?
Schrei'n es in die Nacht, Nordwind in den Haaren
Ganz alleine auf der Flucht vor all dem, was da geschah
Vor den ganzen Männern, die wie Väter sein sollten
Um den Einen zu ersetzten, den Einen, der uns nicht wollte
Die Lüge und den Scherbenhaufen zugedeckt, ein Lächeln drauf
Alles gut versteckt unter dem letzten Hemd und Sternenstaub
Denn für uns kam die Liebe auch in dunkler Gestalt
Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt
Raufasertapete, die Zeiger bleiben steh'n
Wie sehr grausam es macht, dass die Zeit nie vergeht
Wir hätten niemals überlebt, hätt' ich dich nicht verlassen
Unsre Kindheit war zu kurz und wir zu früh schon zu erwachsen
Doch ich hab' dich nie vergessen in all den Jahr'n
Wir sind, wer wir sind, weil wir war'n, wo wir war'n
Du bist noch immer auf der Seebrücke
Und all die ganzen Jahre
Hast du dort auf mich gewartet
Noch ein paar Schritte bis zur Seebrücke
Dann bist du nicht mehr allein
Wir hau'n hier ab und du bleibst bei mir
Und ich halt' dich fest, ich halt' dich fest
Unsre Tränen sind der Grund, warum
Warum die Ostsee salzig schmeckt
Warum die Ostsee salzig schmeckt
Hallo, mein Mädchen, bist du noch da?
Wo ich vor dir weglief vor ein paar Jahr'n
Ich konnte dich nicht anseh'n, hab' vieles verdrängt
Dabei gibt es sonst wohl keine, die mich so gut kennt
Und das hab' ich noch kein'm gesagt
Auch an 'nem unbeschwerten Tag
Hat's mich irgendwann gefunden, heimgesucht und mich gejagt
Die düstere Sekunde, ein Funkenschlag
Der sein Licht auf alles wirft, was so lang im Dunkeln lag
Je mehr ich dich verleugnen wollte, umso näher kamst du mir
Und alle Wege, die mir bleiben, führ'n wieder zurück zu dir
Ich kauf' mir ein Ticket, "Usedomer Bäderbahn"
Ich komm' dich holen
Werd' mich nicht finden ohne nochmal hinzufahren
Du bist noch immer auf der Seebrücke
Und all die ganzen Jahre
Hast du dort auf mich gewartet
Noch ein paar Schritte bis zur Seebrücke
Dann bist du nicht mehr allein
Wir hau'n hier ab und du bleibst bei mir
Und ich halt' dich fest, ich halt' dich fest
Unsre Tränen sind der Grund, warum
Warum die Ostsee salzig schmeckt
Warum die Ostsee salzig schmeckt
Hallo, mein Mädchen, du bist noch da
Und wir stehen gemeinsam, wo wir damals immer war'n
Sind uns wieder nah und ich nehm' dich in den Arm
Denn ich muss dir dringend etwas sagen
Danke für die Geduld, ich weiß jetzt, wir war'n nie Schuld
Die Welt um uns war kalt und blind und wir beide nur ein Kind
Schau, unsre Seebrücke, sie badet im Licht
Es tut mir so unendlich Leid, ich liebe dich
Und ich halt' dich fest, halt' dich fest
Unsre Tränen sind der Grund, warum
Warum die Ostsee salzig schmeckt
- Text: Jennifer Weist, Jen Bender, Raphael Schalz
- Musik:Jennifer Weist, Jen Bender, Raphael Schalz
- Veröffentlichung:
Nackt
Songinformationen
Info aus der digitalen Release Party:
„Seebrücke“ ist wohl der persönlichste und emotionalste Song auf meinem Album „Nackt“. Ich singe über meine Kindheit in Mecklenburg-Vorpommern und einschneidende Erlebnisse aus dieser Zeit, die mich bis heute begleiten. Der Song ist ein innerer Monolog zwischen mir heute und meinem jüngeren ich, der kleinen Jennifer, die ich an der Ostsee zurücklassen musste, um meinen Weg weitergehen zu können. Die kleine Jennifer ist ein Symbol für die Traumata, die ich schon in jungen Jahren erlebt, aber sehr lange versucht habe zu verdrängen, bis sie mich letztendlich doch einholten. Erst jetzt bin ich - auch durch den Schreibprozess von „Seebrücke“ - bereit dazu, den ganzen Schmerz der Vergangenheit zuzulassen und ihn als Teil meiner Geschichte anzunehmen.
Im Artwork sieht man meinen nackten Körper in Embryonal-Stellung, der an Land gespült wurde, ich bin nass, sandig und voller Algen. Meine ersten Kinderschuhe stehen neben mir, ein Relikt aus noch unbeschwerten Tagen. Was vor dem Bild passiert ist, bleibt unklar, mein regungsloser Körper lässt aber vermuten, dass die rauen Wellen der Ostsee mir sehr zugesetzt haben.